Beschreibung
Direkt zu Beginn von „Alien: Romulus“ wird mit einer geschickten Kameraeinstellung klargestellt, in welchen zeitlichen Gegebenheiten sich der nunmehr neunte Ableger der kultigen Sci-Fi-Horrorreihe ansiedelt. Im Weltall, dort, wo dich niemand schreien hört, kreisen die Überreste des zerstörten Raumfrachters Nostromo schwerelos umher. Und auch ein meteoritenähnlicher Felsbrocken zieht nicht unweit davon seine Runden.
Ein nicht näher bestimmtes Raumschiff der Firma Weyland-Yutani holt ebenjenes Objekt an Bord, die darin stationierten Wissenschaftler:innen sind schon ganz heiß darauf, dem Gestein eine Probe zu entnehmen. Noch ahnen sie nicht, dass es sich dabei um eben jenen Xenomorph-Alien (zeitlos-furchterregend vom Schweizer Künstler H.R. Giger entworfen) handelt, der 1979 in Ridley Scotts Film „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ die Besatzung der USCSS Nostromo dezimierte (u. a. Tom Skerritt, John Hurt und Ian Holm) und den Actionheldin Ellen Ripley (seinerzeit gespielt von Powerfrau Sigourney Weaver) in einer letzten Verzweiflungstat in den luftleeren Raum bugsierte.
Im Film sind seit jenen Szenen übrigens gerade einmal 20 Jahre vergangen – „Alien: Romulus“ nistet sich also zwischen Scotts Erstlingswerk (welches in der Zeitrechnung 2122 angesiedelt ist) und James Camerons 1986 in den Kinos angelaufenem „Aliens – Die Rückkehr“, welches 2179 spielt, ein.
Indes auf festem Boden, am Planeten LV-410: Die Waise Rain Carradine (Cailee Spaeny) schuftet unter grauslichen Bedingungen gemeinsam mit ihrem „Bruder“, dem Androiden Andy (David Jonsson), in der Minenkolonie Jackson’s Star, um sich ihre Freiheit zu erarbeiten. Das hat sie am Papier auch tatsächlich vollbracht – dem unguten Arbeitgeber, der Weyland-Yutani Corporation, ist das aber herzlich wurscht und ihr Vertrag wird mit einem Knopfdruck um mehr als das Doppelte des bisherigen Solls aufgestockt.
Die Verzweiflung ist der jungen Frau ins Gesicht geschrieben, die Hoffnungslosigkeit ihrer Situation spürt man auch im Kinosessel. Allgemein muss festgehalten werden, dass die erste halbe Stunde von „Alien: Romulus“ für einen „Alien“-Film ungewöhnlich langsam anläuft (und das ist in keiner Form negativ zu verstehen!). Hier wird sich viel Zeit genommen um die Hauptfigur einzuführen, ihre deprimierende Ausgangslage zu schildern – und auch um die Lebensumstände auf den Planeten zu zeigen, die in den bisherigen Werken eher nichtig waren, da sie im Vergleich zu den engen Gängen der Raumschiffe selten in die Handlung eingewoben waren.
Zurück zu Rain. Da sie nichts zu verlieren hat, schließt sie sich der rebellischen Truppe ihres Ex-Freundes Tyler (Archie Renaux) an. Diese Jugendlichen – außerdem noch dabei sind Tylers schwangere Schwester Kay (Isabela Merced aus „Dora und die goldene Stadt“), der überhebliche Bjorn (Spike Fearn) und seine Freundin, die Pilotin Navarro (Aileen Wu) – haben ebenfalls genug davon, ihr aussichtsloses Arbeiterleben hinzunehmen, und planen, von LV-410 zu flüchten. Vom Planeten Yvaga erhoffen sie sich Besseres, allerdings ist der einige Lichtjahre entfernt; für eine Reise dorthin benötigt es nicht nur Treibstoff, sondern, viel wichtiger, auch Kryokammern, mit denen man sich für den Verlauf der Reise in einen Kälteschlaf begeben kann.
Genau solche Kapseln vermutet die Gruppe auf der zweigeteilten Raumstation „Romulus/Remus“ (eine bewusste Anspielung auf die römischen Mythologie bzw. die Gründer der Stadt Rom im Jahre 753 v. Chr.), die seit kurzer Zeit verdächtig nahe in der umliegenden Stratosphäre kreist. Ob sie vom Kurs abgekommen ist? Jedenfalls wird das Teil in den nächsten 36 Stunden in die umliegenden Planetenringe donnern und zerschellen – die Zeit drängt also.
Mit dem kleinen Minenfrachter Corbelan IV heben Rain, Andy, Tyler und Co ab und docken wenige Zeit später an „Romulus“ an. Zwar sind die Kältekammern und das wertvolle Kühlmittel schnell gefunden, doch rasch stellen sie fest, dass die Station nicht grundlos auf Sinkkurs gegangen ist.
Irgendetwas ist hier noch an Bord, und das, was ihnen schon bald begegnet, kennt nur drei Bedürfnisse: töten, befruchten, weiterentwickeln. Für die Teenager hebt ein Kampf ums nackte Überleben an …
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Rezension: Unsere Kritik zum Film
In „Alien: Romulus“ (2024) führen Regisseur Fede Alvarez („Evil Dead“, „Don’t Breathe“) und Produzent Ridley Scott, seines Zeichens Erfinder des „Alien“-Franchise, die kultige Science-Fiction-Horrorsaga zurück zu ihren Wurzeln: „Alien: Romulus“ spielt 20 Jahre nach den Ereignissen des originalen „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ (1979) und vor James Camerons „Aliens – Die Rückkehr“ (1986).
Das bedeutet auch, dass Alvarez freies Schussfeld hat, um für sein Werk fast alles aus den bisherigen acht „Alien“-Filmen (Anm.: die vierteilige Originalreihe, die beiden Prequels sowie die zwei „Predator“-Crossover-Movies) zu ignorieren. Eine Wohltat, wenn man so sagen darf, denn das x-te Wiederbeleben von Ellen Ripley wäre nach David Finchers „Alien 3“ (1992) und Jean-Pierre Jeunets „Alien – Die Wiedergeburt“ (1997) maßlos übertrieben gewesen.
Stattdessen wird eine neue Truppe an Akteur:innen geschaffen, die zwar ebenfalls rund um eine starke weibliche Hauptfigur aufgebaut ist, aber auch dem Publikum gegenüber als wörtlich unbeschriebenes Blatt vorgelegt wird. Fede Alvarez hätte sich, wie viele andere Film- und Serienschaffende derzeit auch, an den „Kids“ von „Stranger Things“ bedienen können (allen voran Finn Wolfhard und Millie Bobby Brown wirken gefühlt in jeder aktuellen Franchise-Neubelebung mit und tragen nicht zwingend dazu bei, dass Fans von Marken wie den „Ghostbusters“ in Begeisterungsstürme ausbrechen), tut dies aber nicht und castete für „Alien: Romulus“ größtenteils Newcomer:innen, die zumindest der breiten Masse noch nicht zum Hals raushängen.
Cailee Spaeny könnte man getrost für zumindest zwei weitere Filme dabei zusehen, wie sie zur neuen Ellen Ripley/Sigourney Weaver heranreift, und David Jonsson liefert als synthetischer Andy eine der besten Androiden-Vorstellungen des gesamten „Alien“-Franchise ab – und reiht sich damit neben Größen wie Ian Holm, Charles Dance und Michael Fassbender ein.
Inhaltlich bleibt Horrorspezialist Fede Alvarez damit zwar unabhängig, was allerdings nicht bedeutet, dass er sich visuell an den Vorgängern bedient. Liebhaber:innen der ersten beiden „Alien“-Werke steigen beim Setdesign der diversen Raumstationen die Tränen in die Augen, von den nostalgisch gefilmten und wahrscheinlich sogar bewusst gewählten krisseligen Kamerafiltern ganz zu schweigen. Atmosphäre pur, die einen zurück in die späten 80er-Jahre schleudert, und das bei einem Film aus dem Jahr 2024, den man sich im Optimalfall in einem IMAX-Saal zu Gemüte führt.
Auch das Sounddesign ist an allen Ecken durchdacht. Vom Piepsen der Computer bis hin zum ikonischen Schrei des Xenomorph-Aliens wurden hier etliche Soundsamples wiederverwertet, die in der Vergangenheit maßgeblich dazu beigetragen haben, dass die „Alien“-Filme zum Kult avancierten. Für qualitativ hochwertige Science-Fiction-Filme ist es aber sowieso unabdingbar, großen Wert auf den Klang zu legen – spätestens seit „Gravity“ (2013) hat endlich auch Hollywood überrissen, dass es im luftleeren Raum keinen Mucks gibt, auch wenn es ein noch so großes Objekt zerreißt. Schöne Fades, tolle Ohrgeräusche, hier könnte sogar ein (technischer) Oscar drin sein!
Ist „Alien: Romulus“ denn eigentlich auch brutal? Hierzulande hat der Film, wie auch sämtliche Vorgänger, eine Altersfreigabe von FSK 16 erhalten. Und die sollte man ernst nehmen! Gemeine Jumpscares à la „Alien taucht plötzlich in engem Gang auf und fletscht die Zähne“ wären hier noch Kinderkram, aber es gibt auch Szenen mit expliziter Gewaltdarstellung. Zwar nicht ganz so drastisch wie in Alvarez’ Filmen „Evil Dead“ (2013) oder „Don’t Breathe“ (2016), aber gewiss mit einem bleibenden Nachgeschmack. Ein kurzes Beispiel, ohne zu spoilern: Ätzende Säure beißt sich durch einen menschlichen Körper.
Alles in allem kann man „Alien: Romulus“ (2024) getrost als „Best-of“ der bisherigen „Alien“-Filme deklarieren, wobei der Film auch genügend Momente bietet, in denen er seine Eigenständigkeit beweist. Zumindest drei Szenen sind dabei, die es in dieser Form so noch nicht zu sehen gab – und im Setting eines Sci-Fi-Films doppelt wirksam sind. Hier sei auch angemerkt, dass sich einige Sequenzen wie aus einem Videospiel anfühlen; Gamer:innen, die den SF-Gruselhit „Dead Space“ überstanden, oder sich in Creative Assemblys „Alien: Isolation“ dem virtuellen Terror des Xenomorph gestellt haben (Anm.: hiervon ließ sich Regisseur Fede Alvarez nach eigener Aussage inspirieren), werden ihre Freude haben.
Fazit: „Alien: Romulus“ (2024) ist ein sehr starker Sci-Fi-Horrorfilm geworden, der sich würdig seines Erbes annimmt und sich in allen Belangen bravourös zwischen den beiden besten Ablegern der Reihe platziert. „Alien“-Fans, rennt ins Kino!