Beschreibung
Irgendwo im Weinviertel, in einem Ort, von dem aus St. Pölten als leuchtendes Zentrum des Universums erscheint, lebt Polizistin Andrea (Birgit Minichmayr). Während der Dienststunden straft sie mit Kollegen Georg (Thomas Schubert) Autofahrer ab, die zu schnell über eine gefährliche Kuppe auf der Straße brettern, überprüft dubiose Waffenbesitzer oder selbstmordgefährdete Landwirte.
Auch privat läuft nicht viel. Von daheim ist sie vor einiger Zeit ausgezogen, weil sie ihren versoffenen Ehemann Andy (Austro-Kabarettist Thomas Stipsits) und seine Mutter (Margarethe Tiesel), in deren Haus sie lebten, nicht mehr aushielt. Jetzt wohnt sie in ihrem alten Kinderzimmer bei ihrem teildementen Vater (Branko Samarovski), der nur noch für seinen alten Hund da ist.
Der einzige Hoffnungssschimmer der meist unverbindlich lächelnden, aber innerlich versteinerten Außenseiterin – in einem Universum von Dauersäufern die einzige Soda-Zitron-Trinkerin – ist eine angestrebte Versetzung in den kriminalpolizeilichen Dienst nach St. Pölten.
Da kommt’s zu Katastrophe: Bei der nächtlichen Heimfahrt von Georgs Geburtstagsfest überfährt und tötet sie den über die Bundesstraße wankenden Andy und begeht im Schock Fahrerflucht. Doch sie wird nicht einmal verdächtigt – denn der von allen verlachte Religionslehrer Franz (Josef Hader), ein trockener Alkoholiker, ist über die auf der Straße liegende Leiche gefahren und daher überzeugt, für den Todesfall verantwortlich zu sein.
Der vom Leben völlig zerstörte Mann will unbedingt büßen. Hoffnung für Andrea, unerkannt davonzukommen?
Jetzt ansehen
Rezension: Unsere Kritik zum Film
Vom ersten Bild an, wo wir eine gefühlte Ewigkeit nur die unselige Kuppe der Landstraße sehen, ehe sich etwas bewegt, macht Kabarett-Genie, Drehbuchautor und Regisser Josef Hader klar, dass das Publikum bei seinem aktuellen Werk „Andrea lässt sich scheiden“ (2024) Geduld braucht.
Zum einen, weil Haders ländliches Universum und seine Bewohner spürbar langsam sind und – mit Ausnahme von Hauptfigur Andrea – meist sitzen, stehen oder tot auf der Straße liegen. Nur fahrende Autos oder Traktoren erzeugen hier die Illusion von Bewegung. Entsprechend niedertourig entfaltet sich auch die reduzierte Geschichte, und so dauert es zum anderen auch eine lange halbe Stunde, ehe Josef Hader erstmals selbst zu sehen ist.
Mit seiner Nebenfigur des ehemals versoffenen Religionslehrers zieht dann auch der bewährte, unberechenbare schwarze Humor ein, der vorher eher in Spurenelementen vorhanden war. Ob der reicht, Hader-Fans lückenlos zufriedenzustellen, ist aber subjektiv – und nicht ganz sicher.
Zu den Pluspunkten der österreichischen Austro-Dramödie „Andrea lässt sich scheiden“ zählen zwar ein durchgängig erlesener Cast und ein großartiges Spiel. So zeigt etwa Birgit Minichmayr mit wenig äußerer Regung, wie sehr es hinter ihrer Fassade brodelt. Auch Josef Hader ist als verlorener Franz großartig, und Thomas Stipsits brilliert als nur auf den ersten Blick lustiger Bursch, in dem grausliche Abgründe liegen.
Auf dieser akribisch inzenierten ländlichen Welt zwischen abgewrackten Existenzen (die Sequenzen in der Landdisco mit Maria Hofstätter sind traurige Hochämter der Hoffnungslosigkeit, nur mit Schlager- statt Orgelmusik), allgegenwärtigem Bier und verendeten Tieren liegt ein so dichter Überzug aus Resignation und Stillstand, dass der Fim bei vielen einen bitteren, bei manchen vielleicht einen zu bitteren Nachgeschmack hinterlassen könnte, um ihn genießen zu können.
Da hilft auch das Ende, das vieles offen lässt, aber die Straßenkuppe des Anfangs wieder ins Bild rückt, nichts. Denn nimmt man Haders Figuren und ihre Handlungen ernst, kommt man wohl zum Schluss: Sie werden probieren, aus ihren Krisen rauszukommen, aber sie werden scheitern. Das ist zwar ehrlich, aber eben bitter.