Beschreibung
Hilary (Olivia Colman) ist eine ganz normale, aber einsame Frau mittleren Alters in einem klassischen südenglischen Badeort im Jahr 1980. Seit einem Jahr krempelt Margaret Thatcher das Land mit den bekannten Auswirkungen um. Wie ein Symbol für den nicht ausgesprochenen, aber spürbaren Niedergang des Landes steht an der Strandpromenade ein großes altes Kino – das Empire Cinema.
Einst ein Filmpalast mit mehreren Sälen, Bars und einem prächtigen Ballsaal unterm Dach, von dessen Terrasse aus man übers Meer blicken konnte, ist von Ruhm und Glanz nicht mehr viel übrig. In den nicht mehr benutzten und abgesperrten Teilen des Kinos nisten die Tauben, nur mehr die beiden – immer noch atemberaubend schönen – Säle unten werden mit Filmen wie „Blues Brothers“ oder „Nine To Five“ bei mäßigem Publikumsandrang bespielt.
Hilary ist die rechte Hand von Geschäftsführer Ellis (Colin Firth) und kümmert sich um Kartenverkäufe, Abrechnungen und die Einteilung des dürftigen restlichen Personalstandes. Vor allem aber hat sie sich regelmäßig um die sexuelle Erleichterung ihres Chefs zu kümmern – eine Form von Missbrauch und Erniedrigung, die sie mit einer Mischung aus Abscheu, Gleichgültigkeit und verbotener Freude über ein Minimum an Wahrnehmung als Frau hinnimmt.
Die restliche Belegschaft ahnt, was vorgeht, nimmt das aber kommentarlos zur Kenntnis. Die traurige Routine gerät allerdings aus dem trügerischen Gleichgewicht, als ein neuer Mitarbeiter eingestellt wird: Stephen (Micheal Ward, eine echte Entdeckung) ist jung, freundlich, offen, hat ein Herz für Tiere – und er ist schwarz, wodurch er immer wieder mit rassistischen Anfeindungen konfrontiert ist.
Anfangs gibt er sich eher mit den jüngeren Leuten der Belegschaft ab, was Hilary, die sich zu dem Neuling wider Willen hingezogen fühlt, eifersüchtig macht. Doch dann kommen die beiden einander trotz aller Unterschiede näher; eine zarte, vorsichtige Beziehung beginnt.
Die wird bald auf heftige Proben gestellt, als Mr. Ellis feststellen muss, dass ihm plötzlich seine sexuellen Dienstleistungen verweigert werden, und eine große Gala-Premiere des Films „Chariots of Fire“ neuen Glanz in die alte Hütte bringen soll. Vor allem aber sind es unterschätzte innere Abgründe von Hilary, die wieder akut werden und das kleine Glück massiv gefährden …
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Rezension: Unsere Kritik zum Film
Ursprünglich vom Theater kommend, ist Regisseur Sam Mendes seit seinem Sensationsdebüt „American Beauty“ im Jahr 1999 einer der vielseitigsten Filmemacher der Gegenwart geworden. Gangsterdramen („Road To Perdition“), Kriegsdramen („1917“, „Jarhead“) oder Familiendramen („Zeiten des Aufruhrs“), dazu „James Bond“-Juwele wie „James Bond 007: Skyfall“ – nur wenige verstehen es, primäre Unterhaltungsstoffe mit so viel Tiefe und Bedeutung aufzuladen, dass sie ihre Genres um Klassen hochheben. Bei „Empire of Light“ waren es Erinnerungen an die eigene Jugend, die ihn die Geschichte von Hilary und Stephen erfinden und inszenieren ließen.
Vorneweg: Die Schauspielleistungen sind großartig. Oscarpreisträgerin Olivia Colman spielt beklemmend gut, Colin Firth zeigt als schmierig-verkommener Chef neue Facetten ohne abfedernde Ironie. Und von Micheal Ward wird man noch viel hören. Eine stumme Hauptrolle spielt der Kinopalast – man meint beinahe, das alte Holz und die schäbigen Polster zu riechen, dazu das heiße Metall der Projektoren. Eingefangen hat das alles Roger Deakins („James Bond 007: Skyfall“, „Die Verurteilen“, „A Beautiful Mind“, „No Country For Old Men“ etc.), der zu den größten Kameraleuten der letzten Jahrzehnte zählt. Seine Detailaufnahmen und Totalen könnte man allesamt als Kunstdrucke an die Wand hängen, so eindrucksvoll sind sie. Und doch sind sie auch ein bisschen das Verhängnis von „Empire of Light“ (2023).
Denn bei aller Sympathie für die lückenlose, authentische Zeitreise zurück in die Jahre 1980 und 1981, bei aller Bewunderung für die schauspielerischen und cinematografischen Leistungen stellt sich irgendwann die Erkenntnis ein: Die Story selbst ist einfach ein wenig zu klein für die Größe der Bilder, die sie nicht ausfüllen kann. Vielleicht erklärt das auch, warum die englische Produktion trotz zahlreicher Schauspielpreisnominierungen und viel Kritikerlob finanziell bislang weit unter den Erwartungen lief und seit ihrer Premiere im Dezember gerade mal zehn Millionen Dollar weltweit eingespielt hat. Mal sehen, ob das bei Mendes’ kommendem Projekt „The Motive and the Cue“, einem Drama über Elizabeth Taylor und Richard Burton, wieder anders wird.
Trotzdem eine Empfehlung für alle, die präzises, leises und doch bildgewaltiges Schauspielkino zum Nachdenken mögen.