Beschreibung
Japan im Jahr 1945, am Ende des Zweiten Weltkriegs: Der Kamikaze-Pilot Kōichi Shikishima (Ryūnosuke Kamiki) landet mit seinem Flugzeug – angeblich wegen eines Defekts – auf der kleinen Pazifikinsel Odo. Rasch bemerken die dort stationierten Techniker rund um Chefmechaniker Sōsaku Tachibana (Munetaka Aoki), dass der Flieger eigentlich funktionstüchtig ist, und unterstellen dem jungen Mann, ein Feigling zu sein, der lieber sein eigenes Leben retten wollte, anstatt es im Krieg für sein Vaterland im Zuge einer Selbstmordmission zu opfern.
Zwar nagen die Schuldgefühle offensichtlich sehr an Kōichi; viel Zeit, diese zu verdauen, hat er allerdings nicht. Denn: Noch in derselben Nacht überrascht ein dinosaurierartiges Monster die Insel und veranstaltet dort ein Massaker. Kōichi, der die Chance gehabt hätte, mithilfe des Bordgeschützes seines Kampfflugzeuges das Vieh – das die Inselbewohner scheinbar bereits kennengelernt und „Godzilla“ getauft haben – ins Jenseits zu befördern, zögert abermals und stellt sein Leben vor das der anderen. In der Folge wird die gesamte Technikcrew bis auf Tachibana von Godzilla getötet, der sich daraufhin wieder in den Pazifik verabschiedet und davonschwimmt. Tags darauf werden die beiden Überlebenden von einem Rettungsboot aufgegabelt und aufs Festland gebracht.
Zurück im verwüsteten Tokio und schwer gezeichnet von den Erlebnissen der letzten Tage muss Kōichi die nächste Watsche einstecken. Seine Eltern sind bei den Luftangriffen auf Tokio ums Leben gekommen, die komplette Nachbarschaft liegt in Trümmern. Ein menschengemachtes Desaster, das dem Chaos der Riesenechse um nichts nachsteht. Inmitten dieses Schlachtfelds wird der Deserteur von seiner ehemaligen Nachbarin Sumiko Ōta (Sakura Andō) darauf angesprochen, dass es eigentlich seine Aufgabe als Soldat und Kamikazeflieger gewesen wäre, genau dieses Bombardement zu verhindern.
Nun hat er es dreimal gehört, und in Kōichi macht sich der Gedanke breit, dass es vielleicht tatsächlich besser gewesen wäre, wenn er ebenfalls als „Held“ im Krieg gestorben wäre – vor allem, wo er nun niemanden mehr hat, für den es sich zu leben lohnt.
Als er auf dem Markt in eine Diebin läuft, die von Polizisten verfolgt wird, entscheidet er sich kurz entschlossen, ihr zu helfen, und bietet ihr ein Dach über dem Kopf an – ein Versuch, doch noch etwas richtig zu machen. Die junge Noriko Ōishi (Minami Hamabe) hat ein Baby im Schlepptau – wohlgemerkt nicht ihre leibliche Tochter, sondern ein Findelkind. Kōichi, Noriko und das Kind Akiko lernen sich im Lauf der Zeit zu arrangieren, aus einer anfänglichen Zweckgemeinschaft wird so etwas wie eine Patchworkfamilie.
1947 heuert Kōichi auf einem Kutter an, der Minen aus dem Meer fischen soll. Ein gefährlicher, aber gut bezahlter Job, bei dem jedoch wieder deutlich wird, mit welchen Mitteln die Regierung das Volk rund um das Kriegsgeschehen ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen einsetzt. Seine Fahnenflucht hängt Kōichi immer noch nach und so sieht er eine Möglichkeit, sich nützlich zu machen.
An Bord der Nussschale findet er in Kapitän Yōji Akitsu (Kuranosuke Sasaki), dem ehemaligen Waffeningenieur Professor Kenji Noda (Hidetaka Yoshioka) und dem jungen Shirō Mizushima (Yuki Yamada) so etwas wie eine zweite Familie und Menschen, die ihn aufgrund seiner Vergangenheit nicht verurteilen. Indes findet auch Noriko einen Job in der nahegelegenen Stadt Ginza; Nachbarin Sumiko kümmert sich in beider Abwesenheit liebevoll um die kleine Akiko.
Doch das vermeintliche Glück ist nicht von langer Dauer, denn Godzilla meldet sich – noch größer und zerstörungswütiger als zwei Jahre zuvor auf Odo – zurück und nimmt Kurs auf Tokio, wo er abermals den Weg von Kōichi kreuzen wird …
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Rezension: Unsere Kritik zum Film
Godzilla ist Kult! Das wissen nicht nur Cineast:innen und Fans des Monstergenres (jap. „Kaijū“), sondern das verdeutlichen auch die zahlreichen Kinoauftritte der atomar verstrahlten Riesenechse: Das Science-Fiction-Abenteuer „Godzilla Minus One“ (2023) stellt den mittlerweile 38. Film aus dem „Godzilla“-Franchise dar, das 1954 mit Ishirō Hondas „Godzilla“ begründet wurde (hinter den Kulissen stampfte damals noch ein Mensch im Latexkostüm durch eine Modellstadt à la Minimundus und sorgte, geschickt gefilmt, für einen authentischen Leinwand-Schocker). 2024 feiert Godzilla also sein 70-jähriges Jubiläum!
Der Anlass liegt somit auf der Hand, doch das japanische Filmstudio Tōhō war aufgrund einer „Konkurrenzklausel“ gezwungen, seinen Film „Godzilla Minus One“ doch bereits ein Jahr früher in die Kinos zu bringen. Warum das so ist? Weil seit 2014 unter dem Sammelbegriff „MonsterVerse“ (Genaueres zum „MonsterVerse“ und dazu, aus welchen Filmen und Serien es sich zusammensetzt, kann man in diesem Artikel bis ins kleinste Detail nachlesen) ein neuer zusammenhängender Filmkosmos von den amerikanischen Studios Legendary Pictures und Warner Bros. geschaffen wird, zu dem neben US-Kultmonster King Kong eben auch Godzilla zählt. Laut Vertrag darf in einem Jahr nur entweder ein japanischer oder ein amerikanischer „Godzilla“-Film veröffentlicht werden – wohl aus Angst, dass sich diese am Box-Office kannibalisieren könnten oder, wie „Godzilla Minus One“ zeigt, die Japaner schlichtweg als die besseren Kaijū-Filmemacher aus dem Duell hervorgehen würden. Und so wird Godzillas 70er im Jahr 2024 mit dem Film „Godzilla x Kong: The New Empire“ zelebriert.
Was die Outputs der amerikanischen Studios (u. a. Gareth Edwards „Godzilla“ aus dem Jahr 2014, „Kong: Skull Island“, „Godzilla II: King of the Monsters“ sowie „Godzilla vs. Kong“) mit dem japanischen „Godzilla Minus One“ gemeinsam haben, sind neben der titelgebenden radioaktiven Riesenechse auch die menschlichen Schicksale, die in die Handlung eingewoben werden und (zumindest in den US-Filmen und -Serien) leider eher mau ausfallen. Weder sind die einzelnen Geschichten groß spannend noch ziehen sie sich kontinuierlich durch die jeweiligen Werke. Im Gegenteil: Mit jedem neuen Film wurden, zumindest in der Vergangenheit, neue Figuren eingeführt, die zwar eine durchaus prominente Besetzung (u. a. Bryan Cranston, Juliette Binoche, Elizabeth Olsen, Vera Farmiga, Millie Bobby Brown und Charles Dance), aber wenig Tiefgang und Charakterentwicklung bieten – ihre Handlungsstränge hinterlassen so gut wie keinen Nachhall.
Sprung zurück zu „Godzilla Minus One“ (2023), wo genau dieses Problem, das die amerikanischen „MonsterVerse“-Filme und vor allem die „Godzilla“-Ableger haben, nicht zur Debatte steht. Das Ausgangsszenario ist klar. Der Zweite Weltkrieg hat unfassbare Opferzahlen gefordert, die Abwürfe der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki haben ein bis dato unvorstellbares Ausmaß an Zerstörung, Chaos und Tod mit sich gebracht – und in all dem sehen wir Einzelschicksale junger und alter Japaner:innen, die, schwerst traumatisiert, nicht wissen, ob ihnen übermorgen der Himmel auf den Kopf fällt. Als wäre das nicht genug, stampft plötzlich ein Urzeitmonster durch ihre Städte und setzt all dem noch die Krone auf. Die Menschen sind verzweifelt, ihre Geschichten glaubhaft dargeboten und greifbar – sogar vor einem politischen Hintergrund (so z. B. die Tatsache, dass man Kamikaze-Flugzeuge mit einem Schleudersitz ausstatten hätte können, statt Menschenleben aufs Spiel zu setzen) durchaus imposant und unverblümt auf den Punkt gebracht, ohne dabei pathetisch zu wirken.
Auch wenn das (für asiatische Produktionen typische) Overacting an manchen Stellen ein bisschen gar theatralisch wirkt, tut das der Grundstimmung keinen Abbruch. Und wenn man dann als Fan des Monstergenres noch seinen liebsten Kaijū zu Gesicht bekommt – und zwar anders als bei den amerikanischen Produktionen des „MonsterVerse“ für mehr als nur lächerliche zehn Minuten Screentime –, dann hat sich der Gang ins Kino gelohnt.
Lohnen wird sich „Godzilla Minus One“ übrigens auch für jeden Hardcore-Fan, der Anspielungen auf vorangegangene Klassiker mag. Von Godzillas ikonischem Schrei über das ehrwürdige „Godzilla“-Theme, das brodelnd über der Geschichte schwebt und sich an den genau richtigen Stellen wie ein Donnersturm entzündet, bis zu der einen oder anderen Schlagseite auf einstige Bekämpfungstaktiken gegen den Giganten (u. a. Godzilla mittels Zufuhr von Luftblasen den Auftrieb im Wasser zu nehmen, um ihn damit an der tiefsten Stelle in der Bucht vor Japan zu versenken) finden sich etliche Easter-Eggs, bei denen man stellenweise schmunzeln muss und an anderen Stellen die pure Gänsehaut bekommt (z. B. wenn Godzilla zum ersten Mal seinen „Atomic Breath“ auflädt und bei absoluter Totenstille einen ganzen Stadtteil in Schutt und Asche legt!).
Zurück zu den Wurzeln geht es auch für den titelgebenden Antagonisten, der in „Godzilla Minus One“ wieder als Urgewalt inszeniert wird und die Gräuel des Zweiten Weltkriegs versinnbildlicht. Godzilla ist hier kein Freund der Menschen und auch keine helfende Hand gegen andere, noch bösere Monster, sondern ein absolut unguter Geselle, der Tod und Verderben über die Menschen bringt.
Realisiert hat Regisseur Takashi Yamazaki all dies übrigens – laut eigener Aussage – mit weniger als 15 Millionen US-Dollar Budget. Eine Meisterleistung, die sämtliche amerikanische „Godzilla“-Produktionen seit 2014 – die Budgets jenseits der 150-Millionen-Dollar-Marke hatten! – alt aussehen lässt. Die Optik ist top, das CGI (also die computeranimierten Szenen) an manchen Stellen ein wenig holprig, aber dennoch charmant, und beim Sounddesign stellen sich einem die Nackenhaare auf.
Zwei Fun-Facts zu Regisseur Takashi Yamazaki: Auf die Kappe des Filmemachers aus Japan geht u. a. das Sci-Fi-Epos „Space Battleship Yamato“, das bei seiner Veröffentlichung 2010 am japanischen Box-Office sogar das Duell gegen „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1“ gewann. Darüber hinaus steckte Takashi Yamazaki selbst bereits des Öfteren im Godzilla-Kostüm und zwar als Attraktion in einem Vergnügungspark in der Nähe von Tokio, sowie im Drama „Always: Sunset on Third Street 2“ (2007) – in dem die Riesenechse tatsächlich ihren ersten offiziellen Gastauftritt außerhalb des „Godzilla“-Franchise hatte. Darin ist der „King of Monsters“ zwar nur computeranimiert zu sehen, für die entsprechenden Motion-Capture-Aufnahmen hinter den Kulissen, stülpte sich der Regisseur jedoch selbst den Schuppenpanzer über.
„Godzilla“-Fans bekommen mit „Godzilla Minus One“ (2023) einen der besten „Godzilla“-Filme aller Zeiten spendiert, der nicht bloß auf stumpfe Monster-Action setzt, sondern als stimmiges Katastrophendrama daherkommt, das nah und glaubhaft ist und seine Zuseher:innen mit einer überaus präsenten Anti-Kriegs-Message entlässt. Godzilla in Reinkultur, so wie es sein soll!
Seit der Oscarverleihung 2024 darf Atomechse Godzilla auch den wichtigsten Preis der Filmbranche in seinen Krallen halten: Im Zuge der 96. Verleihung der Academy Awards wurde „Godzilla Minus One“ mit einem Oscar in der Kategorie „Beste visuelle Effekte“ ausgezeichnet – eine Premiere für das Monster-Franchise und sehr verdient!