Beschreibung
In der kultigen Austrokomödie „Poppitz“ aus dem Jahr 2002 sind Regisseur Harald Sicheritz und sein Hauptdarsteller Roland Düringer von der zentralen Frage ausgegangen, welches Thema möglichst viele Leute anspricht und gleichzeitig eine Brücke in den deutschen Kinomarkt sein könnte. Das Resultat heißt Urlaub. Denn wo sonst als in den Ferienregionen dieser Welt treffen Österreicher und Deutsche so ungefiltert aufeinander, dass unweigerlich die Funken spritzen?
Diese Erfahrung muss auch der Wiener Autoverkäufer Gerry Schartl (Roland Düringer) machen. Der kennt österreichisch-deutsche Koexistenzprobleme aus der Mittendrin-Perspektive: Er ist seit 13 Jahren mit einer Deutschen verheiratet. Seine nach zwei Jahren sauteurer Gesprächstherapie nur halbwegs enthysterisierte Lena (Marie Bäumer) reagiert mit sofortigem Liebesentzug, wenn ihrem Gerry ein „Scheißpiefke!“ rausrutscht. „Sagen darf ich’s nicht. Aber denken!“, belehrt Schartl die Zuseher, mit denen er während des ganzen Films im Dialog steht – den Durchbruch der sogenannten „Vierten Wand“ hatte Regisseur Sicheritz schon lange vor „Deadpool“ (2016) drauf. Denn der Autoverkäufer bekennt ganz offen, ein Arschloch – und mit dieser Haltung bisher am besten gefahren – zu sein.
Und wirklich: Sieht man von der mühsamen Ehefrau, einer hochpubertären Trotztochter im Gothic-Punk-Style und ein paar Millionen Schilling Schulden fürs Designerhaus ab, läuft’s für Gerry hervorragend. Er ist der Starverkäufer im Autohaus Klingelmeier, und der nächste Karriereschritt scheint unmittelbar bevorzustehen. Eben hat nämlich der alte Herr Kommerzialrat Klingelmeier das Zeitliche gesegnet. Keine Frage, dass dessen unfähiger Sohn Bertram (Alfred Dorfer) jetzt ans Ruder kommt. Gerry hat den verkaufsschwachen Junior jahrelang gedeckt, eigene Abschlüsse als jene von Bertram buchen lassen. Aber nicht aus Freundschaft, sondern „dass der Volltrottel nie vergisst, wie sehr er mich braucht“.
Doch gerade an dem Tag, an dem Gerry samt Familie in den wohlverdienten Cluburlaub abdampfen will, bittet ihn Bertram um ein Gespräch über die Zukunft, das aus Zeitgründen aber erst nach der Ferienreise stattfinden kann. Prompt beginnt Schartl zu grübeln: Hat diese Unterredung etwa mit einem gewissen Herrn Poppitz aus Deutschland zu tun? In den letzten Wochen hat er den Junior einige Male beim Telefonieren mit diesem Herrn betreten, offenbar planen beide gemeinsam etwas Großes. Und noch bevor er im Flieger nach Cosamera abhebt, zermartert sich Gerry das Hirn. Ist da eine große Verschwörung gegen ihn im Gange? Sollte er nicht besser auf der Stelle umdrehen?
Der Urlaubsort selbst ist auch nicht dazu angetan, ihn von seinem immer heftiger werdenden „Who the f... is Poppitz?“-Gegrübel abzulenken. Die Ferieninsel ist eine gediegene Mischung aus Müllhalde, Katastrophengebiet und Bürgerkriegsschauplatz; der abgefuckte Ferienclub, in dem mehr Kakerlaken als Urlauber leben, wird bewacht und abgeriegelt wie die US-Botschaft im Jemen. Und nicht genug damit, dass Gerrys Koffer als einziger nicht ankommt (weshalb er in der herrschenden Affenhitze in seinem Winter-Designeranzug herumrennen muss), ihn kein Mensch versteht und sein Handy nicht funktioniert, entwickelt sich ein Kleinkrieg zwischen den strikt getrennt gehaltenen deutschen und österreichischen Feriengästen. Vor allem der fesche Ben (Kai Wiesinger) erweist sich nicht nur als mindestens ebenso smart wie Gerry, er hat offenbar auch ein Auge auf dessen Frau geworfen.
So findet sich der Wiener Schmähtandler plötzlich vor die unlösbare Aufgabe gestellt, vor Ort seine Ehe und aus der Ferne seine Karriere zu retten – und dabei tappt der sieggewohnte Checker, der „leider sehr, sehr wenig Erfahrung im Verlieren hat“, Schritt für Schritt näher an den endgültigen eigenen Untergang …
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Rezension: Unsere Kritik zum Film
„Poppitz“ (2002) ist eine zynische Irrealsatire voller genüsslich breitgetretener Vorurteile! Doch ähnlich wie in seinem Bühnenprogramm „Die Viertelliterklasse“ verlangt Kabarettist und Schauspieler Roland Düringer auch bei diesem Werk von seinem Publikum einige Aufmerksamkeit, ehe er es mit Gags belohnt. Wie in einem Dokumentarfilm kommentiert Antiheld Gerry Schartl sein Tun, denkt laut nach, lässt bei Bedarf die Handlung wieder zurücklaufen – der Film switcht andauernd zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Realität und Vision – trotzdem hat es Düringers Busenfreund und Leibregisseur Harald Sicheritz geschafft, stringente, temporeiche und vor allem witzige 99 Kinominuten zu zaubern.
Neben Roland Düringer (der seine Rolle wie üblich nicht spielt, sondern sie fugenlos lebt) fallen vor allem Eva Billisich und Reinhard Nowak als Wiener Proleten-Urlaubspaar Nowak auf. „Als die deutschen Kollegen diese beiden das erste Mal am Set erlebt haben, haben sie es nicht gepackt, wie die das spielen“, lobt Düringer seine alten „Schlabarett“-Kumpane.
Wie er die fünfwöchigen Dreharbeiten in einem Originalclub auf Gran Canaria in bester Erinnerung hat: „Nach der Arbeit an „Hinterholz 8“ war ich fertig, weil es anstrengend und kalt war. Aber der „Poppitz“-Dreh war wie Urlaub – auch wenn ich nie in einen solchen Club fahren würde.“
Über 440.000 Besucher:innen strömten damals in die Kinos, um sich den Düringer-Film „Poppitz“ (2002) auf der Leinwand anzusehen – ein Erfolg, der das Werk zu einem der erfolgreichsten Filme aus Österreich macht.