Tod auf dem Nil

Beschreibung

London, in der zweiten Hälfte der 30er-Jahre. In einem angesagten Nachtclub erlebt Detektiv Hercule Poirot (Kenneth Branagh) aus der Distanz den Auftakt zu einem Drama mit: Die selbstbewusste, aufreizende junge Louise (Rose Leslie) trifft ihre alte Schulfreundin, Millionenerbin Linnet (Gal Gadot), die nicht weniger attraktiv ist, um sie um einen Job für ihren virilen und feschen Verlobten Simon (Armie Hammer) zu bitten. Prompt sagt Linnet zu, alles wunderbar. Oder nicht? Denn ein halbes Jahr später wird Hercule Poirot nach Ägypten zu Linnets Flitterwochen eingeladen. Der Ehemann ist – Simon.

Der hat die Seiten gewechselt und sich die viel bessere Partie Linnet geschnappt bzw. sie sich ihn. Linnet hat zwar ein sehr schlechtes Gewissen gegenüber ihrer alten Freundin Louise, aber die Liebe ist nun mal eine Himmelsmacht, gegen die kein Kraut gewachsen ist. Ebenfalls eingeladen sind Poirots alter Freund Bouc (Tom Bateman), dessen biestige Mutter Euphemia (Annette Bening), die Nachtclub-Sängerin Salome (Sophie Okonedo) und ihre Nichte Rosalie (Letitia Wright). Linnets Taufpatin, die verarmte, kommunistisch-revolutionäre Mrs. Van Schuyler (Jennifer Saunders), ihre Gesellschaftsdame Mrs. Bowers (Dawn French), Dienstmädel Jacqueline (Emma Mackey), Linnets Cousin Andrew (Ali Fazal) und der schweigsame Arzt Dr. Windlesham (Russell Brand) komplettieren die Runde.

Doch die Feierlichkeiten werden von der nachgereisten Louise gecrasht, die Gesellschaft zieht sich auf die Karnak, einen luxuriösen Nildampfer, zurück. Doch Louise hat sich auch hier Zutritt verschafft – und die Fahrt stromaufwärts wird zu einer mörderischen Reise mit Intrigen, Anschlägen und Tod.

Jede Menge zu tun für den anfangs überforderten Hercule Poirot, den größten lebenden Detektiv …

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Rezension: Unsere Kritik zum Film

Zum zweiten Mal nach „Mord im Orient Express“ (2017), der respektable 352,8 Millionen US-Dollar einspielte, übernahm Kenneth Branagh die Rolle des Meisterdetektivs Hercule Poirot – und die des Regisseurs. Anders als beim ersten Remake, das trotz des Erfolgs vielen Fans der Sidney-Lumet-Verfilmung von 1974 nicht ganz mundete, hat der Nordire hier alles weiter entwickelt: Die Schauwerte, die Geschichte, die leise Adaptionen erfuhr, und vor allem die Figuren.

Kenner des literarischen Hercule Poirot mögen sich vielleicht wundern, dass der Mann plötzlich eine Vergangenheit im 1. Weltkrieg hat (in den Romanen flieht der kleine, nicht mehr junge Belgier vor den vorrückenden Truppen Kaiser Wilhelms nach England) und welche Auswirkungen das hat. Die inneren und äußeren Verwüstungen, die Verluste, die Hercule Poirot hier erlitten hat, machen die Figur greifbar.

Wo Peter Ustinov in den Poirot-Interpretationen (von 1978 bis 1988 schlüpfte der Brite insgesamt sechsmal in die Rolle: dreimal für die Kinofilme „Tod auf dem Nil“, „Das Böse unter der Sonne“, „Rendezvous mit einer Leiche“ sowie dreimal für die TV-Produktionen „Mord à la Carte“, „Tödliche Parties“, „Mord mit verteilten Rollen“; dafür gab’s 1979 sogar eine BAFTA-Nominierung als „Bester Hauptdarsteller“) auf distanzierte Ironie setzte, baut Kenneth Branagh auf die tiefe Gebrochenheit seines Helden, die sich hinter übertriebenem Charme, Perfektionismus und Überheblichkeit verbirgt.

Trotzdem sind ganz tiefe, tragische Gefühle in dem Mann. Übrigens auch im Rest der Reisegesellschaft, die Morde nicht so leicht wegsteckt wie jene aus früheren Verfilmungen. Vielleicht nicht ganz im Sinn der literarischen Schöpferin Agatha Christie, aber auf jeden Fall im Sinn des Publikums.

Apropos Sinn: Setzte schon „Mord im Orient Express“ (2017) auf feine Schauwerte, hier wird noch eines draufgelegt. Die 30er-Jahre feiern in Kostümen, Einrichtung, Architektur und Ausstattung ästhetisch-gloriose Auferstehung. Dazu die Bilder von Ägypten und seinen jahrtausendealten Baudenkmälern, die zwar zu 90 Prozent im Computer entstanden, aber endlich wirklich echt und gut aussehen.

Dazu ertönt als Zusatz-Reiz eine großartige musikalische Begleitung. Eine Klasse für sich auch die Kamera von Haris Zambarloukos. Kleiner Tipp: Achten Sie darauf, was der Zypriot mit den geschliffenen Gläsern der Fenster des Nildampfers macht, wie er die sich dort brechenden Bilder benützt, um Vieldeutigkeit oder Verwirrung im gerade gefilmten Moment organisch sichtbar zu machen.

Gemessen am Einspielergebnis hinkt „Tod auf dem Nil“ dem Vorgänger „Mord im Orient Express“ allerdings hinterher: Während Branaghs erste Christie-Adaption 2017 rund 353 Millionen US-Dollar an den Kinokassen lukrierte, spielte „Tod auf dem Nil“ fünf Jahre später nur noch 137,3 Mio. USD ein. Fairerweise muss man an dieser Stelle aber erwähnen, dass der Film auch inmitten der Coronapandemie (COVID-19) entstand, die Produktion deswegen unter keinem guten Stern stand und die Kinopremiere mehrmals verschoben werden musste.

Trotzdem wurden die Abenteuer von Hercule Poirot bzw. die Verfilmungen von Kenneth Branagh weitergeführt: 2023 kam mit „A Haunting in Venice“ seine dritte Agatha-Christie-Verfilmung in die Kinos – die auf Christies 60. Kriminalroman „Die Schneewittchen-Party“ (im Original „Halloween Party“) aus dem Jahr 1969 basiert.