Beschreibung
Im Zentrum der Geschichte von „Wilde Maus“, dem Regiedebüt des österreichischen Starkabarettisten Josef Hader, steht der 50-jährige Musikkritiker Georg (Hader), der seit einer Ewigkeit bei einer Wiener Zeitung tätig ist und dessen bissige Kommentare gefürchtet sind. Von seinem Schaffen ist er mehr als überzeugt und hegt deswegen keinerlei düstere Vorahnungen, als ihn sein Chefredakteur Waller (Jörg Hartmann; u. a. bekannt aus dem Dortmund-„Tatort“) zu sich rufen lässt. Und ihm verkündet, man müsse sich aufgrund von Sparmaßnahmen von ihm trennen!
Georg tut sich schwer, ob der Hiobsbotschaft die Fassung zu bewahren. „Es wird Leserproteste geben“, meint er erbost – was Waller zur sarkastischen Replik „Glaub ich nicht, Ihre Leser sind alle schon tot“ veranlasst. Den Frust („Oaschloch!“, „Deitsche Sau!“) schreit er sich später im Auto von der Seele, seiner jüngeren Frau Johanna (Haders Lebensgefährtin Pia Hierzegger) erzählt er freilich nichts vom Jobverlust.
Kein Wunder, würden doch drohende finanzielle Probleme den unerfüllten Kinderwunsch der Psychotherapeutin torpedieren. Offiziell weiter journalistisch tätig, streunt Georg tagsüber durch den Wiener Prater, liest Zeitung – und trifft einen alten Bekannten wieder: Erich (angenehm zurückgenommen: Georg Friedrich), einen ehemaligen Schulkollegen, der ihm früher schmerzhaft das Leben schwer machte.
Wie es das Schicksal will, sind die beiden bald Leidensgenossen, denn Erich wird als Liliputbahn-Fahrer gefeuert, und nun hängt man gemeinsam herum, auf der Suche nach neuen Betätigungsfeldern. Da trifft es sich gut, dass die renovierungsbedürftige Prater-Hochschaubahn „Wilde Maus“ (das Fahrgeschäft gibt es natürlich wirklich!) zu mieten ist.
Allein: Erich fehlt das nötige Kleingeld. Doch Georg kann sich für die Idee erwärmen, streckt die nötigen Barmittel vor und legt sogar selbst Hand an. Im Gegenzug unterstützt Erich ihn dabei, seine Waller betreffenden Rachefantasien in die Tat umzusetzen …
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Rezension: Unsere Kritik zum Film
Dass Josef Hader den auf den ersten Blick nicht wirklich sympathischen Verlierer gut kann, hat er als schicksalsgebeutelter Ex-Polizist Simon Brenner in den Verfilmungen der erfolgreichen Romane von Autor Wolf Haas (Stichwort: Brenner-Krimis) schon viermal unter Beweis gestellt: „Komm, süßer Tod“ (2000), „Silentium“ (2004), „Der Knochenmann“ (2009) und „Das ewige Leben“ (2015).
Wobei der Georg aus „Wilde Maus“ – im Gegensatz zu Brenner – eigentlich ein typischer Vertreter des heimischen Mittelstandes ohne finanzielle Sorgen ist und erst durch die Kündigung aus der Bahn geworfen wird. Eine in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit durchaus „normale“ Geschichte also.
Die Normalität verlässt Hader, indem er seinen Protagonisten Rachegelüste ausleben lässt – ob mit Erfolg, sei an dieser Stelle nicht verraten. Jedenfalls schafft der Regiedebütant das Kunststück, seine Geschichte zunehmend wildere Haken schlagen zu lassen – auch, was die Verbindungen der Charaktere untereinander betrifft! – und am Ende trotzdem so aufzulösen, dass man nicht verärgert den Kopf schüttelt wegen des konstruierten Schlamassels, in das sich die Hauptfigur hineinmanövriert.
Und das trotz viel menschlichen Dramas mit reichlich Humor. Hader sagt dazu: „Ich wollte den Weg von den Brenner-Filmen weitergehen, dass das Tragische und das Komische immer mehr zu einer Einheit verschmelzen. Das Interessante ist: Wenn man eine reine Komödie macht, besteht oft die Gefahr, dass die Probleme nicht wichtig sind. Weil man weiß, dass das eh gut ausgeht. Bei „Wilde Maus“ glaubt man mitten im Film: Um Gottes willen, das kann sich nie ausgehen, weil die Probleme so groß sind.“
Optisch zeigt der „Neue“ hinter der Kamera durchaus Gespür für echte Kino-Optik – am besten zu sehen in der Sequenz, in der Georg (zu Klängen von Vivaldi) halbnackt durch eine tief verschneite Winterlandschaft läuft und es sich dann mitten in der weißen Pracht mit Whisky-Flasche in der Hand „bequem“ macht. „Wenn man so will, habe ich alles so hingeschrieben, dass das im Schnee aufhört“, so Kinofan Hader, der mit seinem Regie-Erstling ganz bewusst keinen Fernsehfilm machen wollte.