Was wäre, wenn der König der Götter eine Midlife-Crisis hätte? Diese simple Frage war der Ausgangspunkt der Serie „Kaos“, erklärte deren Schöpferin Charlie Covell („The End of the F***ing World“). Als Darsteller des selbstgefälligen und neurotischen Göttervaters Zeus – der von seinem Luxuspalast auf dem Gipfel des Olymps aus die Geschicke der Welt lenkt – war eigentlich Hugh Grant vorgesehen. Als der, vorgeblich aus Termingründen, seine Mitwirkung cancelte, sprang „Jurassic Park“-Star Jeff Goldblum ein.
Die in die moderne Gesellschaft verpflanzte Story kommt in Gang, als sich Zeus von den Menschen nicht mehr genug verehrt sieht und sie durch die Verbreitung von Angst und Schrecken wieder auf Linie bringen will. Dadurch will er auch die Erfüllung einer Prophezeiung verhindern, die mit einer Falte auf seiner Stirn beginnt und an deren Ende der Untergang seiner Familie und das titelgebende Chaos stehen sollen.
Wichtige Rollen im himmlischen Durcheinander spielen auch Zeus’ listige Gattin Hera (Janet McTeer), sein rebellischer Sohn Dionysos (Nabhaan Rizwan), seine Brüder Poseidon (Cliff Curtis) und Hades (David Thewlis) sowie der aus Strafe an einen Felsen gekettete Titan Prometheus (Stephen Dillane). Der Minotaurus und Medusa mit den Schlangen auf dem Kopf kommen ebenfalls vor.
Auf Seite der Menschen fordern u. a. Popstar Orpheus (Killian Scott) und seine Frau Riddy (Aurora Perrineau) die Götter heraus …
Die griechische Mythologie mit ihrer Vielzahl an Göttern und Halbgöttern, Helden und Ungeheuern dient auch der Filmindustrie als unerschöpfliches Reservoir an Stoffen und Geschichten (zuletzt etwa in der Neil-Gaiman-Adaption von „American Gods“). Das liegt nicht zuletzt daran, dass den olympischen Gottheiten, die zum ersten Mal vor rund 2.700 Jahren in Homers Heldenepen auftauchten, menschliche Gestalt und menschliche Gefühle wie Liebe, Hass, Neid und Eifersucht zugeschrieben wurden.
Dass Unsterblichkeit nicht vor Dummheit und Paranoia schützt, zeigt die schwarzhumorige britische Serie „Kaos“ (2024), in der Zeus & Co acht Folgen lang als ebenso mächtiger wie zerstrittener Haufen dargestellt werden, als dysfunktionaler Familienverband, der nur durch ein dunkles Geheimnis zusammengehalten wird.
Man kann sich amüsiert dem übermütigen Einfallsreichtum der Serienschöpfer rund um Charlie Covell hingeben, die offensichtlich keine noch so groteske Schnapsidee unverwirklicht lassen wollten. Es bereitet jedenfalls viel Vergnügen, dem zutiefst dysfunktionalen olympischen Familienverband rund um den cholerischen und selbstgefälligen Despoten Zeus (herrlich: Jeff Goldblum) bei ihrem Treiben in der Serie „Kaos“ zuzuschauen. Man sieht eine elitäre Sippe, die jeglichen Bezug zur Realität verloren hat und das gemeine Volk bis in den Tod hinein zynisch ausnützt. Es geht um Dekadenz und Macht – und wie man diese letztlich beendet.
Bei allen respektlosen Späßen und absurden Neuinterpretationen der griechischen Mythologie mangelt es „Kaos“ auch nicht an tiefgründigem Hintersinn. Ob die unterm Strich geistvolle, originelle und kurzweilige Serie eine Fortsetzung findet, wissen derzeit nur die Götter …